Wir, der akademische Mittelbau an Österreichs Universitäten, erlebt derzeit nicht nur eine Energiekrise. Seit genau 20 Jahren – seit der Einführung des Universitätsgesetzes 2002 stecken wir in einer permanenten Beschäftigungskrise! § 109 des UG2002 erlaubt weitreichende Ausnahmen vom Kettenvertragsverbot und verhindert eine nachhaltige Beschäftigungskultur. Ca. 80% des gesamten wissenschaftlichen Personals an den österreichischen Universitäten sind aktuell befristetet angestellt – das sind rund 34.000 Personen! Mit einem akademischen Mittelbau, wie er vor 2002 existiert hat, ist unsere Situation nicht zu vergleichen. Wir sind ein prekarisierter Unterbau, dessen Gewicht auch im Senat mit dem UG2002 beschränkt wurde gegenüber der Professor:innenkurie. Wir sind – gemeinsam mit den Studierenden und dem allgemeinen Personal – aber auch das Fundament ohne welches die Universität gar nicht existieren kann! Wir lehren, wir forschen, wir betreuen, wir schreiben Drittmittelanträge und bewerten Anträge und Publikationen unserer Kolleg:innen – ein wichtiges Instrument der wissenschaftlichen Qualitätssicherung. Vieles davon machen wir – ob wir wollen oder nicht – in unserer Freizeit, denn oft decken unsere über Projektgelder oder Lehraufträge finanzierten offiziellen Arbeitsstunden nur einen Teil dieser Tätigkeiten ab. Was das zur Folge hat, ist nicht überraschend: Die Luft nach „oben“ zur Professur wird für alle dünn, denen Unterstützungsnetzwerke fehlen, um diesen mentalen und materiellen Stress auszuhalten. Frauen, Menschen mit nicht-akademischem Elternhaus, Menschen ohne wohlhabende Familie sind zum Beispiel nach wie vor stark unterrepräsentiert auf der höchsten universitären Karrierestufe.
Die jüngste Novelle des Universitätsgesetzes im Jahr 2021 und die darin festgeschriebene Reform des §109 gibt nicht eben Anlass zur Hoffnung, dass sich an dieser Situation etwas ändern wird. Sie wird sich – ganz im Gegenteil – noch weiter verschlechtern und ist bereits jetzt unmittelbar existenzbedrohend für viele von uns. Die Novelle sieht jetzt eine „Probezeit“ von 8 Jahren vor. Wer es nach 8 Jahren nicht zum Prof schafft, muss die Universität verlassen. Moment mal??? Keine Organisation und kein Unternehmen würde 8 Jahre in seine Mitarbeitenden investieren, um dann zu sagen: „Wir entlassen Sie, weil Sie nicht der Chef geworden sind.“
Wir sind heute hier, weil wir es satt haben den Mund zu halten um durch glückliche Zufälle oder nach Laune der Profs entfristet zu werden und also Wissenschaftler:innen bleiben zu dürfen. Wir haben es satt, Betreuungsaufgaben unentgeltlich und teilweise rein über Drittmittel finanziert durchführen zu müssen. Wir haben es satt, unter permanentem Exzellenz-Druck arbeiten zu müssen. Wir haben es satt, ständig die Ellbogen auspacken zu müssen, um es am Ende vielleicht irgendwie doch zur Professur zu schaffen. Wir haben es satt, unser Privatleben hintanzustellen, um für die nächste PostDoc-Stelle irgendwo ins Ausland zu gehen.
In den letzten Monaten haben sich betroffene Prae- und PostDocs von der JKU Linz, TU Wien, Uni Innsbruck, TU Graz, Uni Graz, Donau-Uni Krems und jetzt auch der Uni Wien zusammengetan. Wir haben das Netzwerk Unterbau Wissenschaft, kurz NUWiss, gegründet. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit anderen Initiativen, wie dem Universitätslehrendenverband, der IG Lektor:innen, der Arbeiterkammer Wien und der Universitätsgewerkschaft, für bessere Arbeitsverhältnisse an allen österreichischen Unis zu kämpfen. Uns geht es heute bei unserem ersten großen Protest auf der Straße nicht nur um höhere Gehälter, sondern vor allem um transparente Entfristungsmodelle und längerfristige Beschäftigungsperspektiven. Es ist unserer Meinung nach sachlich unzulässig bzw. nicht gerechtfertigt, Dauerverpflichtungen, wie gute Lehre und Forschung, einer Belegschaft zu zumuten, welche alle 8 Jahre ausgetauscht wird. NUWiss fordert daher neben einem fairen Gehaltsabschluss für das Universitätspersonal:
- Die ersatzlose Abschaffung des §109 und damit ein Ende der Kettenverträge!
- Damit einhergehend fordern wir, dass die Universitäten in die Pflicht genommen werden, nachhaltige Karrieremodelle auch abseits der Professuren zur entwickeln!
- Die Grundvoraussetzung dafür ist eine ausreichende Basisfinanzierung, damit die Bewältigung der Kernaufgaben in Forschung und Lehre nicht über wettbewerblich eingeworbene Gelder abgewickelt oder überhaupt in der Freizeit der Beschäftigten erledigt werden muss. Daher – ausfinanzierte Universitäten statt Drittmittelwahnsinn!
Was ich gerne hätte – Verträge ohne Kette!