Das Parlament ist derzeit auf verschiedenen Ebenen mit den prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft befasst. Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen.
Das BMBWF hat im Jänner den Entwurf zu einer weiteren Novelle des UG 2002 vorgelegt, der zeigt, wie schnell sich Gesetzesänderungen auf Schiene bringen lassen, wenn der politische Wille besteht. Im Hinblick auf die sich laufend verschärfende, prekäre Arbeitssituation der Wissenschafter:innen an Österreichs Universitäten sind die Vorschläge allerdings äußerst zaghaft, obwohl wir die verpflichtende „Darstellung“ von „Entfristungsmodellen“ im Entwicklungsplan begrüßen. (siehe dazu auch unsere Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren)
Gerade aufgrund dieser verpassten Chance sind drei Entschließungsanträge, die im Wissenschaftsausschuss nun zur Verhandlung stehen, umso wichtiger. Dies ist zunächst die von den Vertreter:innen der SPÖ eingebrachte Forderung nach Einführung einer Befristungshöchstquote: Gefordert wird die Festlegung eines maximalen Prozentsatzes befristet Beschäftigter an einer Universität, womit ein Vorschlag der EU-Kommission vom Sommer 2023 aufgegriffen wird (siehe unten). Diese Höchstquote soll in den Leistungsvereinbarungen fixiert werden. Ziel der geforderten Maßnahme ist es, die Anzahl befristeter Arbeitsverträge schrittweise zu reduzieren und damit den negativen Auswirkungen der 2021 eingeführten Höchstbefristungsdauer entgegenzuwirken (Antrag 3851).
Zwei weitere Entschließungsanträge wurden ebenfalls von der SPÖ eingebracht. Gefordert wird zum einen, dass in den Leistungsvereinbarungen alle Parameter, die der Orientierung an oft kritisierten Universitäten-Rankings geschuldet sind, zu streichen. Sie sollen durch Kriterien ersetzt werden, die dem öffentlichen Auftrag der Universitäten und der europäischen CoARA-Initiative entsprechen (Antrag 3855). In der letzten Ausschuss-Sitzung am 03.10.2023 vertagt wurde die Entscheidung über einen Antrag zur Korrektur des §109 UG, die sicherstellt, dass Zeiten in Elternkarenz und als Projekt-Studienassistent:in in der Berechnung der 8-Jahres-„Kette“ (Höchstbefristungsdauer) nicht mitgezählt werden (Antrag 3598). Es bleibt spannend, wie der Wissenschaftsausschuss mit diesem Antrag, zu dem sich zumindest die FPÖ bereits zustimmend geäußert hat, umgeht: Zurzeit steht er jedenfalls nicht auf der Tagesordnung für die kommende Sitzung am 14. März!
Gespannt sind wir auch auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage der SPÖ durch den Wissenschaftsminister. Die Anfrage enthält einschlägige Fragen zu den Beschäftigungsverhältnissen an Österreichs Universitäten. Ebenfalls adressiert wird das Problem, dass Universitäten-Rankings ein illegitimes Mess- und Steuerungsinstrument der Universitätspolitik darstellen. Kritisch anvisiert und erfragt werden darüber hinaus die problematischen Aspekte des österreichischen Sonderwegs in Sachen Hochschulmobilität und -internationalisierung. Gemeint sind damit die wettbewerbsbeschränkenden und inländerdiskriminierenden Folgen der Zielquoten für Auslandsberufungen, deren Steigerung das BMBWF – mit Blick auf den Uni-Ranking-Indikator „Internationalität“ – einfordert.
Politisch brisant ist schließlich auch jener Teil der Anfrage, der sich auf die Haltung der österreichischen Regierungsvertreter:innen auf EU-Ebene bezieht: Gemeint ist damit der jüngste Entscheidungsprozess zugunsten verbesserter Arbeitsbedingungen für Forscher:innen. Ausgangspunkt für die EU-Bestrebungen war der Befund, dass die prekäre Beschäftigungssituation in der Wissenschaft verhindere, dass die besten Forschenden in und für Europa gewonnen und hier gehalten werden. Als Reaktion hierauf legte die Europäische Kommission im Juli 2023 einen dem entgegenwirkenden Vorschlag für eine Empfehlung des EU-Rats vor. Dieser (oben bereits erwähnte) Vorschlag ist nicht nur aufgrund seiner ausführlichen, informativen Begründung und der im Anhang enthaltenen neuen Europäischen Charta für Forschende höchst lesenswert. Er enthält zudem die aufsehenerregende Forderung nach einer verbindlichen Maximalquote für befristete Arbeitsverhältnisse. Hier einigten sich die EU-Kommissar:innene auf den Schwellenwert von einem Drittel pro Institution. Diese Empfehlung für eine eindeutige Befristungshöchstquote wurde von den Minister:innen der Mitgliedsstaaten im letzten Schritt leider aus dem Vorschlag gestrichen (Dokumente hier). Die im Dezember 2023 beschlossene Empfehlung des Rates der Europäischen Union ist dennoch wegweisend, indem sie die von der OECD ausgearbeiteten Empfehlungen zur Reduktion prekärer Beschäftigungsverhältnisse aufgreift und konkretisiert.
Wir hoffen, dass die österreichische Politik die Empfehlungen des EU-Rates – oder gar den deutlich konkreteren Vorschlag der EU-Kommission – zeitnah umsetzt. Am 14. März, wenn der Wissenschaftsausschuss erneut zusammenkommt, gäbe es mit den drei zur Diskussion stehenden Anträgen die erste Gelegenheit dafür!