Eine in Kooperation mit NUWiss enstandene neue Studie beleuchtet die Beschäftigungssituation von Mittelbau-Angehörigen an österreichischen Universitäten. Die Befragung von über 2.300 wissenschaftlichen Mitarbeitenden an 22 öffentlichen Universitäten macht gravierende Probleme deutlich, die aus der Vorherrschaft befristeter Arbeitsverträge resultieren. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen – Wissenschaftler:innen dürfen maximal acht Jahre nach dem Doktorat an derselben Universität befristet beschäftigt werden, danach ist Schluss (§109 UG, sogenannte „Kettenvertragsregel“) – haben weitreichende negative Folgen für Forschung, Lehre und die Lebensplanung der Betroffenen.
Zentrale Ergebnisse:
- Mangelnde Informationen und Unsicherheit: 67 % der Befragten fühlen sich unzureichend über gesetzliche Regelungen informiert, was die Karriereplanung erschwert und viele in Unsicherheit belässt. Eine Mehrheit der Befragten gibt an, dass die unsicheren Beschäftigungsbedingungen nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Kolleg:innen massiv belasten.
- Beeinträchtigungen in Forschung und Lehre: Befristete Arbeitsverträge im Zusammenspiel mit der vorherrschenden Auslegung der Rechtslage führen dazu, dass hoch qualifizierte Mitarbeitende fortwährend ohne inhaltlichen Grund die Universität verlassen müssen, wodurch Forschung und Lehre destabilisiert werden. Innovative Projekte können in vielen Fällen nicht eingereicht oder fortgeführt werden. Projektangestellte ziehen sich zudem aus der Lehre zurück und die Betreuung von Studierenden leidet angesichts des stetig herannahenden Beschäftigungsendes.
- Kaum Karriereaussichten: Nur 8 % der befristet Beschäftigten sehen eine Chance auf eine unbefristete Anstellung. Viele fühlen sich gezwungen, ihre akademische Karriere aufzugeben oder ins Ausland zu gehen – ein „Brain Drain“, der das österreichische Hochschulsystem langfristig schwächt.
Ein Einblick aus der Praxis:
Ein Senior Scientist aus der Befragung bringt die absurde Situation auf den Punkt:
„Ich leite eine Arbeitsgruppe und habe vielfach Leute für fortführende Beschäftigung an der Universität ausgebildet. Trotz verfügbarer Drittmittel, die ich einwerbe, darf ich diese Personen nicht weiter beschäftigen. Kaum eine andere Institution geht so schlecht mit ihren Humanressourcen um wie die heimischen Universitäten. Menschen, die sich trotz der nicht besonders guten Arbeitsbedingungen im Wissenschaftsbereich verwirklichen wollen und vielfach auch über Wissen und Begabung für die Wissenschaft verfügen, werden durch die geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in ihrer Berufsausübung behindert und verhindert.”
Empfehlungen der Studie:
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die Notwendigkeit struktureller Reformen, um das Hochschulsystem in Österreich zu stabilisieren und die Attraktivität akademischer Karrieren zu sichern:
- Systemische Reformen statt kurzfristiger Lösungen: Es braucht transparente Personalpläne mit konkreten Zielvorgaben für unbefristete Stellen auf allen Ebenen des akademischen Systems.
- Flexible Karrierepfade schaffen: Neben vertikalen Karriereschritten, etwa in Richtung Professur, sollten auch horizontale Karrieremöglichkeiten stärker ausgebaut werden. Rollen wie Senior Scientists und Senior Lecturers mit einem Fokus auf Forschung und Lehre sollten gezielt gefördert werden. Bei der Gestaltung neuer Karrierewege sollten auch die Geschlechtergerechtigkeit und Familienfreundlichkeit zentrale Bestandteile sein.
- Stabilisierung von Drittmittelstellen: Durch Mechanismen wie ein „Rucksack“-System könnten Mittelüberschüsse aus Drittmittelprojekten genutzt werden, um Finanzierungslücken zu überbrücken und so Kontinuität für Forschende sicherzustellen.
„Es braucht dringend nachhaltige Maßnahmen und langfristige Planungshorizonte, um das österreichische Wissenschaftssystem zu stärken, hochqualifizierte Talente im Land zu halten und die negativen Folgen starrer und unpräziser gesetzlicher Vorgaben sowie der Praxis der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach 8 Jahren abzuwenden“, betont das Forschungsteam.
Zur vollständigen Studie als PDF: The Employment Situation of the Mittelbau at Austrian Universities
Kontakt:
Dr. Christiane Lechner, TU Wien
E-Mail: christiane.lechner@tuwien.ac.at
Dr. Julia Partheymüller, Universität Wien
E-Mail: julia.partheymueller@univie.ac.at