Am 6.12.2022, einem typischen Wiener Wintermorgen – feucht-kalt mit Wind –, startete um 8:45 Uhr die erste große Demonstration des akademischen Mittelbaus anlässlich der zunehmenden Perspektivlosigkeit vieler Wissenschaftler:innen bedingt durch die 2021 eingeführte Deckelung der Beschäftigungsdauer auf 8 Jahre im Paragraph 109 des Universitätsgesetzes (UG2002). Ab etwa 8:30 Uhr begann sich die Kreuzung Löwelstraße/Teinfaltstraße hinter dem Burgtheater mit Demonstrierenden zu füllen.
Die Auftaktredner:innen von NUWiss (Text der Rede hier), ÖH und der Initiative Unterbau Uni Wien kritisierten gleichermaßen die strukturellen Verschlechterungen für Beschäftigte des nicht-professoralen wissenschaftlichen und allgemeinen Personals sowie für die Studierenden. Die zentralen Forderungen der Kundgebung – Paragraph 109 abschaffen, Schaffung von diversen Karrieremöglichkeiten an der Universität abseits der Professur, Ausfinanzierung der Universitäten statt Zwang zur Drittmittellukrierung – wurden durch laute Akklamationen der bereits auf geschätzt 700 Leute angewachsenen Menge unterstützt.
Um 9 Uhr setzte sich der Demozug zur Zentrale der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst in der Teinfaltstraße 7 in Bewegung, wo zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen zum Kollektivvertrag für das Universitätspersonal stattfanden. Mit Parolen wie „Was wir gerne hätten – Verträge ohne Ketten“ und „Hey GÖD, sei nicht feig – höchste Zeit für Bildungsstreik“ sowie einem Pfeifkonzert wurde vor der dem Gewerkschaftsbüro auf die Situation des prekären „Unterbaus“ aufmerksam gemacht und auf die Streikbereitschaft der Unipersonals für eine Anpassung der Gehälter über die aktuelle Inflation verwiesen. Am Ende der Teinfaltstraße bog die Demonstration in die Herrengasse ein, um auf das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung am Minoritenplatz zuzusteuern. Die dort stattfindende Zwischenkundgebung richtete sich an den zuständigen Minister Martin Polaschek.
Redner:innen von Unterbau Uni Wien, der IG Lektor:innen (Redebeitrag hier) und der Studierendenbewegung „Erde Brennt“ adressierten erneut die Problemlagen des Prekariats unter Mitarbeitenden und Studierenden und die Wichtigkeit der universitären Forschung und Bildung für die Bewältigung der bereits bestehenden und kommenden Krisen. Mittlerweile nahmen Wind und Regen merklich zu, aber dies tat der kämpferischen Stimmung keinen Abbruch. Skandierend „Supergau im Unterbau“ und „Solidarität statt Konkurrenz – nieder mit der Exzellenz“ zog die Demonstration zurück zum Ausgangspunkt und weiter Richtung Universitätsring zur Abschlusskundgebung vor dem Hauptgebäude der Universität Wien. Da der Demonstrationszug entsprechend groß war, wurde er von der Polizei direkt auf den Ring geleitet und erst kurz vor der Universität in die Nebenfahrbahn. „Wessen Uni – unsere Uni, wessen Forschung – unsere Forschung, wessen Ring – unser Ring“ – zumindest den Ring hatten wir uns für einen kurzen Moment gesichert.
Auf der Stiege zum Eingang der Universität platzierten sich dann Demonstrant:innen mit Transparenten und in den Abschlussreden gab es einen Ausblick auf die weiteren Aktivitäten der Initiative Unterbau Uni Wien. In einem weiteren offenen Treffen am 13.12.2022, welches online stattfinden wird, soll es für alle Interessierten noch einmal Gelegenheit geben, die konkreten Forderungen zu diskutieren und mitzugestalten, welche Schritte als nächstes gesetzt werden. Ein erster Schritt ist jedenfalls getan mit dieser erfolgreichen Demonstration – die Resonanz der Medien bestätigt, dass die prekäre Situation der (Jung-)Forscher:innen in Österreich endlich in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.