Am Donnerstag, den 16.03.2023, rief die Initiative Netzwerk Unterbau Wissenschaft (NUWiss) Linz zur Vollversammlung der wissenschaftlichen Mitarbeitenden an der Johannes-Kepler-Universität Linz auf. NUWiss ist eine im letzten Jahr österreichweit ins Leben gerufene Initiative von Wissenschaftler*innen, die sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen an österreichischen Universitäten sowie den hohen Druck, der damit einhergeht, wehren und für eine Demokratisierung der Universitäten einsetzen. Derzeit entstehen in verschiedenen Universitätsstädten eigene Lokalgruppen, Linz ist vorne mit dabei.
Flyer zur Veranstaltung inklusive Kernanliegen von Unterbau Linz
Unter dem Motto „Informieren, Vernetzen, aktiv werden, jetzt!“ stand der Abend im Zeichen des Engagements gegen die prekären Arbeitsbedingungen an österreichischen Universitäten – rund 100 JKU-Wissenschaftler*innen sind diesem Ruf gefolgt. Knapp 80 Prozent des wissenschaftlichen Personals sind österreichweit befristet angestellt, nach spätestens 8 Jahren droht aufgrund der Verhinderung von aufeinander folgenden Befristungen und der äußerst zögerlichen Entfristungspraxis der Universitätsleitungen (die sog. „Kettenvertragsregelung“, festgelegt im §109 des öst. Universitätsgesetzes) quasi das Berufs-Aus. Der Ausweg ist entweder grenzenlose (inter)nationale Mobilität oder der Ausstieg aus der Wissenschaft. In der Folge führen solch unsichere Lebensperspektiven und Arbeitsstress zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit Betroffener, vor allem zu psychischen Belastungen. So zeigen aktuelle Studien, dass das Risiko für Depressionen und Angststörungen unter Wissenschaftler*innen sechs Mal höher ist als in anderen Berufsgruppen. In Kombination bremsen diese Rahmenbedingungen gute Forschung und Lehre aus und wirken nicht zuletzt als sozialer Filter: Somit haben es gesellschaftlich benachteiligte Gruppen, wie Frauen, Menschen mit Betreuungspflichten oder Menschen ohne finanzielles Auffangnetz, ungleich schwerer, Karriere an Universitäten zu machen.
In einem Impulsvortrag zum Thema Wettbewerb und Wissenschaft, widerlegte der JKU-Ökonom Stephan Pühringer, den Mythos, wonach nur Druck zu Innovation und Fortschritt in der Forschung führe. Der Vergleich mit der Privatwirtschaft zeigt wie wenig sinnhaft ein solches Wissenschaftssystem ist: „Wer würde auf die Idee kommen, es wäre besonders innovativ hochqualifizierte Mitarbeiter*innen zunächst 5 Jahre auszubilden, um dann 90% von ihnen durch neue Mitarbeiter*innen zu ersetzen – Unter dem Motto: Sie können gehen, Sie sind nicht Chef geworden!“. Der österreichischen Forschungslandschaft gehen somit wertvolle Kompetenzen und Expertisen in Forschung und Lehre verloren. Danach wurden Forderungen wie die Neuverhandlung bzw. Abschaffung des §109 des öst. Universitätsgesetzes, die Erhöhung der Basisfinanzierung österreichischer Universitäten sowie eine Belebung demokratischer Strukturen an den Universitäten vorgetragen und abgestimmt.
Studierendenvertreter*innen des VSSTÖ und die ÖH-Fakultätsvertretung der Technisch- Naturwissenschaftlichen Fakultät zeigten sich mit dem Netzwerk als auch dessen Forderungen solidarisch. „Wir sitzen alle im selben Boot. Die Unterfinanzierung, die seit Jahrzenten betrieben wird […] trifft uns alle – Lehrende, Forschende, Wissenschaftler*innen und uns Studierende.“, so Marvin Schütt vom VSSTÖ. Auch der Betriebsrat der JKU unterstützt das Anliegen. Angela Wegscheider meint dazu, dass der Betriebsrat es allein nicht schaffe, Mitarbeiter*innen zu bündeln, „aber vielleicht schaffen wir es gemeinsam“. Ebenso solidarisiert sich Gerhard Hartl für die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst mit NUWiss: „Es muss eine von der Basis herkommende Solidarisierungsbewegung geben […] und ich kann das von meiner Position […] als Gewerkschaftler nur unterstützen.“
Am Ende der Veranstaltung stand der gemeinsame Aktivismus im Zentrum. In Form einer Fotoaktion und Arbeitsgruppen konnten sich die Anwesenden selbst mit ihren Ideen, Anliegen und Perspektiven einbringen. Die Vollversammlung zeigte eindeutig: Der Unmut unter den Betroffenen ist groß. Sie wird sicherlich nicht das Einzige sein, was Linz von den befristet beschäftigten Wissenschaftler*innen zu hören bekommt.