Während das allgemeine österreichische Arbeitsrecht eine Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen („Kettenverträge“) weitgehend untersagt, wurde mit dem §109 in der Universitätsgesetznovelle von 2002 (UG2002) eine Ausnahmeregelung für befristete Anstellungsverhältnisse geschaffen, die den besonderen Charakteristika von Karrierepfaden von Wissenschaftler:innen Rechnung tragen sollten. Konkret sollte es dadurch möglich werden, wissenschaftliche Qualifikationen in befristeten „Laufbahnstellen“ zu erwerben, um danach in unbefristete Anstellungsverhältnisse überzutreten. Mit der Novellierung des §109 im Jahr 2021 wurde der Maximaldauer dieser Kettenverträge auf 8 Jahre pro Dienstgeberin beschränkt, mit einer Ergänzung im Universitätsgesetz (§ 13b), in welcher die Universitäten aufgefordert werden, „geeignete Karrieremodelle für den höchstqualifizierten wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs entwickeln und fördern“ und „entprekarisierende Karrieremodelle zu entwickeln“. (siehe Regierungsvorlage).
In der konkreten Praxis ist allerdings seit vielen Jahren die Tendenz zu beobachten, befristete Beschäftigungsverhältnisse aneinander zu reihen und letztlich auslaufen zu lassen (wir dokumentieren solche und ähnliche Fälle in unserer Reihe „Gesichter und Geschichten“). Das schlägt sich nicht zuletzt am massiven Anstieg an befristet angestellten Wissenschaftler:innen an österreichischen Universitäten seit der Einführung des UG2002 nieder, der nun bei etwa 80% liegt (Professuren mit eingerechnet). Es ist somit stark zu bezweifeln, dass eine striktere Auslegung und Verkürzung der höchstzulässigen Befristungszeit auf 8 Jahre, tatsächlich eine Trendumkehr in Richtung Entprekarisierung einleiten könnte. Die aktuelle Befristungspraxis hat viele junge Wissenschaftler:innen in prekäre Lebenssituationen gebracht. Besonders Forschende und Lehrende mit Betreuungspflichten sowie im Wissenschaftsbetrieb unterrepräsentierte Gruppen (zB Frauen, Menschen mit nicht-akademischer sozialer Herkunft) wurden dadurch benachteiligt und in vielen Fällen zum Ausstieg aus dem Wissenschaftssystem gedrängt. Die Prekarisierung wirkt als sozialer Filter für wissenschaftliche Karrieren.
Vor dem Hintergrund dieser vielschichtigen Prekarisierungsdimensionen treten wir für die ersatzlose Streichung von §109 ein und regen eine Überführung der Universitätsangestellten ins allgemeine Arbeitsrecht an.
Weitere Texte und Informationen zum §109 UG findet ihr hier:
- Rechtlicher Überblick über die Neuerungen 2021/22 – erstellt durch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GöD)
- Diskussion des §109 aus juristischer Sicht von Günther Löschnigg
- Günther Löschnigg: „§ 109 UG neu“ (2021)
- Günther Löschnigg: „Das österreichische Pendant zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz – § 109 UG„
- Überblicksartikel im Standard: „Warum die Reform der Kettenverträge an den Unis auf Widerstand stößt„